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Aw: Röhrenverstärker-Eigenbau [Beitrag #2565] Sa., 30 März 2013 23:01 Zum nächsten Beitrag gehen
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Ein Kopfhörerverstärker mit Röhren

Unsere kleine Reihe „Eigenbau in Röhrentechnik für Einsteiger und Fortgeschrittene" möchte ich mit der Vorstellung eines zum Nachbau geeigneten eisenlosen Kopfhörerverstärkers beginnen. Und zwar deshalb, weil in diesem Gerät trotz seiner Einfachheit eine Vielzahl an verschiedenen Funktionen audiophiler Röhrentechnik zum Einsatz kommt und erklärt werden kann.

Als Erstes ein paar Worte zu den funktionellen Rahmenbedingungen:

Im Gegensatz zum Studionormpegel (1,55 V an 600 Ω) oder der CCIT-Norm (0,775 V an 600 Ω) ist der Pegel für „Heimtechnik" 0,3162 V an 2,5 kΩ bis 5 kΩ (typ. 4,7 kΩ) für Ausgänge, 30 kΩ bis 1 MΩ (typ. 100 kΩ) für Eingänge.

Der Verstärker soll also für einen Eingangswiderstand von 100 kΩ und einer Eingangsspannung von ca. 0,3 V ausgelegt sein.
Ausgangsseitig soll bei Vollaussteuerung eine NF-Spannung von 6 V an RL 300 Ω (entspricht 120 mW) zur Verfügung stehen.
Das entspricht einem Schalldruckpegel am Ohr bei Vollaussteuerung selbst bei preiswerten Kopfhörern von über 130 dB, also oberhalb der Schmerzgrenze (und oberhalb der Leistungsgrenze der meisten preiswerten Kopfhörer), womit der Verstärker wohl allen Anforderungen gerecht wird.

Die Impedanz des Kopfhörers soll bei 300 Ω liegen. Dies ist dem Ziel geschuldet, den Verstärker „eisenlos" - also ohne NF-Übertrager - zu bauen und trotzdem eine vernünftige Sprechleistung zu erzielen. (Der maximale Ausgangsstrom der Röhren ist durch diese auf 20 mA begrenzt). Aber auch bei extremer Fehlanpassung, z. Bsp. 32 Ω-Kopfhörer, liefert der Verstärker eine ansprechende Leistung von ca. 13 mW, was für den Hausgebrauch mehr wie ausreichend ist.

Es ist ein Spleen von mir, Geräte in Röhrentechnik auch zu 100% in Röhrentechnik zu konzipieren und zu bauen. Also auch Netzteil in Röhrentechnik und ohne die häufig propagierte „Gleichstromheizung". Dem Leser sei es überlassen, diesem System zu folgen oder einen Hybriden, also Mischbestückung mit Halbleitern und Röhren, den Vorzug zu geben.

Zu den verwendeten Bauteilen:

Es kommen nur Bauteile zum Einsatz, welche entweder heute noch gefertigt werden oder in solcher Stückzahl auf dem Markt zur Verfügung stehen (Und das zu „vernünftigen" Preisen), dass deren Beschaffung problemlos ist.

Als Gleichrichterröhre verwende ich die 6C4P (Originalbez.: 6ц4п), entspr. EZ90 oder 6Z31, eine 7-Pol. Miniaturröhre.

Als Doppeltrioden sind wegen des möglichen Anodenstromes von 10 mA die CV4024, (entspr. 12AT7 oder ECC81) vorgesehen. Diese Röhre ist auch gut als NF-Vorstufenröhre zu gebrauchen.

Der Transformator ist ein M55b, primär 230 V, sekundär 6,3 V 1,5 A und 2x200 V, 20 mA.

Elkos in der Anodenleitung wie auch die Ausgangselkos haben eine Spannungsfestigkeit von mindestens 10% über der Anodenspannung ohne jegliche Belastung. (Nach dem Einschalten sind die Trioden noch hochohmig, so dass die Anodenspannung auf einen Maximalwert - den Spitzenwert der Anodenwechselspannung des Transformators - steigt. Erst wenn alle Röhren in ihrem Arbeitspunkt arbeiten - also Anodenstrom fließt - sinkt die Anodenspannung durch den Spannungsabfall über die Summe der vom Anodenstrom durchflossenen Widerstände im Netzteil auf den Nennwert.) Es ist auch zu beachten, dass unsere Netzspannung eine zulässige Toleranz von +/- 10% hat.
Für unsere Schaltung ergibt sich also:

Anodenwechselspannung des Netztrafos 200 V eff
+ 10% zulässige Abweichung = 220 V eff
Die Spitzenspannung ist Effektivspannung * Wurzel 2, also 220 V * 1,44 = 317 V.

Die Bauteile (Elkos etc.) müssen also eine Spannungsfestigkeit von mind. 317 V haben. Es kommen deshalb Kondensatoren für 350 V zum Einsatz.

An dieser Stelle der Hinweis: Auch wenn es ein „kleines und einfaches" Gerät ist - die darin auftretenden Spannungen sind es nicht. Da eine Zweiweggleichrichterschaltung zum Einsatz kommt, ist die maximal im Gerät auftretende Spannung mit 2*317 V, also 634 V und lebensgefährlich. Dies muss immer Beachtung finden, um Stromschläge zu vermeiden. Auch der Betrieb des fertigen Gerätes darf deshalb nur im allseits geschlossenen Zustand erfolgen, um versehentliches Berühren von spannungsführenden Teilen auszuschließen.

Die Koppelkondensatoren (alle Kondensatoren im Signalweg außer die Ausgangskondensatoren) sollten hochwertige, wenn möglich eng tolerierte, stirnseitig kontaktierte Wickelkondensatoren sein. (MKT-Typen). Axiale Bauform bietet sich bei „Freiverdrahtung" an. Die Spannungsfestigkeit sollte bei 400 V liegen.

Die Kathodenkondensatoren sind Niederspannungstypen (10 V).


Gruß
RVM-AP

[Aktualisiert am: Mi., 02 Juli 2014 22:50] vom Moderator

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Aw: Röhrenverstärker-Eigenbau [Beitrag #2566 ist eine Antwort auf Beitrag #2565] Sa., 30 März 2013 23:08 Zum vorherigen Beitrag gehen
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Zur Schaltung:

Netzteil

index.php?t=getfile&id=1206&private=0

Ein mit 100 mAT abgesicherter Netztrafo liefert sekundärseitig 1x 6,3 V 1,5 A für die Röhrenheizungen, sowie 2x 200 V 20 mA für die Anodenspannung.
Als Trafo bietet sich ein M55b an. Die erforderlichen Wicklungen sind:

Prim.: 2180 Wdg., Ø 0,2 mm
Sek.: 66 Wdg., Ø 0,9 mm
2x 2100 Wdg., Ø 0,1 mm

Die Heizung aller Röhren wird mit verdrillten Leitungen parallel verdrahtet und direkt an den 6,3 V-Anschluß des Trafos angeschlossen. Es erfolgt keine Verbindung zu GND. (Da die Isolationswerte der Heizung zur Kathode bei den Trioden nur 90 V beträgt, die Kathode des zweiten Systems von Rö2 und Rö4 aber auf ca. 100 V liegt, würde durch eine Potentialbindung des Heizkreises zu GND dieser Isolationswert in den Röhren 2 und 4 überschritten - ein Überschlag mit Beschädigung der Systeme wäre möglich).

index.php?t=getfile&id=1207&private=0

Die Anodenspannung wird nach ganz gewöhnlichem Prinzip mittels Zweiweggleichrichter in Rö1 erzeugt. Der Ladeelko C1 darf nicht größer 10 µF sein, weil sonst der Impulsstrom, um den C im 100 Hz-Intervall immer wieder auf die Spitzenspannung zu laden, die Gleichrichteröhre Rö1 schädigen würde. (Andere Gleichrichterröhren, z. Bsp. EZ80, vertragen größere Kapazitäten, aber die Größe dieser Kapazität bestimmt maßgeblich die Lebensdauer der Röhre)

Die RC-Kombination R1 (Siebwiderstand) und C2 (Siebelko) glättet die noch mit einem „Brumm" versehene Anodenspannung, so dass am mit 220 µF groß bemessenen C2 eine glatte Anodenspannung zur Verfügung steht.

Diese geglättete Anodenspannung wird nun über die Widerstände R6 und R17 aufgeteilt und dient als Betriebsspannung für die beiden Kanäle. Durch die Kondensatoren C5 und C12 werden die Betriebsspannungen NF-mäßig entkoppelt (Um ein Übersprechen durch NF-Modulation auf der Betriebsspannung zu unterbinden).
(Der Spannungsabfall über diese Widerstände entspricht im Übrigen dem Ruhestrom für die dazugehörige Verstärkerschaltung 1 V = 1 mA, sollte ca. 8 betragen. So kann man den Strom messen ohne eine Leitung aufzutrennen).

index.php?t=getfile&id=1208&private=0

Die NF-Verstärkerschaltung

(Zum besseren Nachvollziehen hab ich hier einen Kanal noch mal vereinfacht dargestellt)

Die Spannungsverstärkung erfolgt im ersten Triodensystem (Rö3). Die Beschaltung ist standartmäßig in Kathoden-Basis-Schaltung ohne jegliche Besonderheiten ausgeführt.
Das NF-Signal wird einem Potentiometer (Lautstärkeregler P4) zugeführt, dessen Schleiferkontakt über einen Entkopplungswiderstand (R10) direkt auf das Gitter geführt wird. Damit wird das Gitter gleichzeitig gleichspannungsmäßig auf GND-Niveau gelegt.
Um die Röhre im geradlinigen Teil der Kennlinie zu betreiben, muss die Kathode ca. 2 V über der Gitterspannung liegen. Das wird erreicht durch einen Kathodenwiderstand von ca. 2 kΩ gegen GND.
Der Arbeitswiderstand (R15) beträgt 100 kΩ. Es stellt sich so ein Ruhestrom von 1 mA ein, dabei fallen bei einer Betriebsspannung von ca. 200 V über den Arbeitswiderstand ca. 100 V und die verbleibenden ca. 100 V über die Röhre ab.
Durch leichtes Verändern des Kathodenwiderstandes kann man die Symmetrie dieses Spannungsverhältnisses beeinflussen. (In vielen, sonst allgemein üblichen, kapazitiv gekoppelten Schaltungen mit Triode in Kathoden-Basis-Schaltung ist die - sich automatisch einstellende - Spannung an der Anode nicht besonders kritisch, da durch die Kapazitäten die Gleichspannung nicht an die nächste Stufe übertragen wird).
Hier in dieser Schaltung erfolgt aber eine Gleichspannungskopplung, so dass die Spannung an der Anode des ersten Triodensystems den Arbeitspunkt der Gegentaktendstufe festlegt. Und um die beiden Triodensysteme der nachfolgenden Schaltung symmetrisch zu betreiben, sollte die Spannung nahe Ub/2 der Gegentaktschaltung sein. Deshalb ist der Kathodenwiderstand der Vorstufe hier eine Reihenschaltung aus einem 1,5 kΩ-Festwiderstand (R11) und einem 1 kΩ-Einstellregler (P5), mit welchem man - ausgehend von „Mittenstellung" - die Gleichspannung an der Anode abgleichen kann.
Da das Eingangssignal auf das Gitter gelegt ist, ändert sich im Rhythmus der NF-Spannung die Spannungsdifferenz zw. Kathode und Gitter. Und damit der Ri der Röhre. Und damit ändert sich auch die Spannung an der Anode.
Der Kathodenkondensator (C8) bewirkt, dass die Kathodenspannung konstant bleibt, auch wenn sich der Ri der Röhre im Rhythmus der NF ändert. Ohne den C würde sich durch den sich ändernden Ri der Röhre auch die Kathodenspannung ändern und der Verstärkung entgegen wirken. (Dieser Effekt wird in verschiedenen anderen Anwendungen genutzt - aber dazu in späteren Beiträgen).
Die Anodenspannung (ca. 102 V +/- der verstärkten NF-Spannung) wird jetzt dem Gitter der oberen Triode zugeführt. Die beiden Trioden sind gleichspannungsmäßig in Reihe geschaltet. Durch die 1 V Spannungsdifferenz zw. Gitter und Kathode (bei einem Anodenstrom von ca. 7 mA) hat die Kathode dieser Triode jetzt ca. 101 V.
Die untere Triode ist (ebenso wie die Vorverstärkertriode) in Kathoden-Basis-Schaltung ausgeführt. Der Kathodenwiderstand (R13) mit 68 Ω stellt bei einer Anodenspannung von ca. 100 V einen Strom von ca. 7 mA ein (lt. Kennliniendatenblatt).
Steigt die Spannung am Gitter der oberen Triode (durch die NF), steigt die Spannung zw. Kathode und Gitter. Damit sinkt der Ri der Triode, der Anodenstrom steigt. Damit steigt zum Einen die Spannung an der Kathode, zum Anderen sinkt die Spannung an der Anode (R15). Die Spannungsänderung an der Anode der oberen Triode wird nun durch einen Kondensator (C11) auf das Gitter der unteren Triode übertragen. (Der Kondensator verhindert, dass die Gleichspannung von ca. 200 V von der Anode der oberen Triode zum Gitter der unteren Triode gelangt). Das Gitter der unteren Triode bekommt sein GND-Potential durch den Widerstand R14. Der Widerstand ist hochohmig, damit er die von C11 zugeführte Wechselspannung nicht bedämpft.
Bei der unteren Triode sinkt also die Spannung am Gitter, wodurch sich der Ri der Triode erhöht. Die untere Triode arbeitet also genau entgegengesetzt zur oberen.
Auch wenn beide Trioden gleichstrommäßig in Reihe geschaltet sind, arbeiten sie - da ihre Widerstandsänderung bei Wechselspannung gegenläufig ist - für Wechselspannung parallel. Es steht also am Mittelpunkt (Anode der unteren, Kathode der oberen Triode) der doppelte Wechselstrom zur Verfügung. Da an dieser Stelle neben der NF-Wechselspannung auch ca. 100 V Gleichspannung anliegen, muss die Wechselspannung durch einen Kondensator (C7) von der Gleichspannung getrennt werden. Der Ausgang wird durch einen Widerstand (R8) gleichspannungsmäßig auf GND-Potential gebracht.

Die Spannungsverstärkung dieser Gegentaktschaltung ist < 1, d. h., die notwendige Spannungsverstärkung erfolgt ausschließlich in der Vorstufe. Da diese Vorstufe aber eine Wechselspannungsverstärkung von ca. 1:60 hat, unser Ziel aber war, aus ca. 0,3 V 6 V zu machen (was einem Verhältnis von 1:20 entspricht), haben wir ausreichend Reserven, um eine Gegenkopplung über die gesamte Schaltung zu führen.
Mit dieser - direkt wirkenden - Gegenkopplung (P2) wird das Ausgangssignal um 180° gedreht auf den Eingang zurück geführt. Damit wird der Verstärkungsfaktor eingestellt. Desweiteren linearisiert die Gegenkopplung den Verstärker (korrigiert also im Verstärker auftretende Verzerrungen). Dadurch sinkt auch der Klirrfaktor. Also je stärker die Gegenkopplung, umso linearer die Kennlinie. Der Einstellregler wird so eingestellt, dass bei voll aufgedrehtem Lautstärkeregler das Ausgangssignal noch ohne Beschneidung der Amplituden zur Verfügung steht.
Verzerrungen entstehen fast ausschließlich in der Vorstufe durch die Krümmung der Kennlinie im Arbeitspunkt. In der Gegentaktendstufe arbeiten die beiden Systeme gegeneinander, weshalb sich die Krümmungen der Kennlinien weitestgehend aufheben. Bei richtig liegenden Arbeitspunkten liegt der Klirrfaktor der Schaltung im Frequenzbereich von ca. 10 Hz bis 100 KHz unter 1 %.
Bei Frequenzen unter 10 Hz wirkt der Auskoppelkondensator (C7) als nichtlinearer Widerstand, dessen Wert mit sinkender Frequenz sich erhöht. Er bildet also einen Schutz des Kopfhörers vor Gleichspannung.

Die komplette Schaltung:

index.php?t=getfile&id=1209&private=0

Wie der fertige Verstärker aussehen könnte ist hier ersichtlich: http://www.gfgf.org/Forum/index.php?t=msg&th=198&sta rt=0&
  • Anhang: Hzg.jpg
    (Größe: 49.04KB, 2836 mal heruntergeladen)
  • Anhang: Ua.jpg
    (Größe: 24.92KB, 2745 mal heruntergeladen)
  • Anhang: NF.jpg
    (Größe: 69.65KB, 2798 mal heruntergeladen)
  • Anhang: KHV 2.jpg
    (Größe: 146.20KB, 2857 mal heruntergeladen)


Gruß
RVM-AP

[Aktualisiert am: So., 31 März 2013 14:04]

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