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Aw: Eigenbau ? Kleinstserienfertigung ? [Beitrag #6038 ist eine Antwort auf Beitrag #6028] Di., 09 September 2014 19:08 Zum vorherigen Beitrag gehen
Getter
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Hier noch einige Anmerkungen und Gedanken zur Schaltung:

Allstrom-Geräte mit Gegentakt-Endstufe sind sehr selten - da fallen mir nur ein : Telefunken 7000 und 8000 (sowie die beiden AEG-Parallelgeräte, ebenfalls mit 2x CL4), der oben von Ronald erwähnte Telefunken 639U, Stern-Radio Erfurt 4 GWU (eisenlose Endstufe, 2xUL84 in Reihe) sowie der Grundig 4010GW (2x UL11). Und eben das von mir hier vorgestellte Gerät !
Wenngleich kein Radio, könnte man hier trotzdem noch den Lorenz-Verstärker LVA/B 15 A (2x UBL71) auflisten. Vereinzelt hat später noch Philips eisenlose Gegentaktendstufen in TV-Geräte eingebaut und einige hochwertige Batterie- sowie einige Auto-Empfänger besitzen Gegentakt-Endstufen, aber diese Geräte stellen nicht das dar, was unter einem 'klassischen' Allstrom-Rundfunkempfänger zu verstehen ist.
Das war es dann aber auch schon, jedenfalls in Deutschland, vermutlich sogar in Europa. Aus US-Fertigung existieren, gemäß Information von ocean-boy 204, Truppenbetreuungs-Empfänger mit 2x 25L6.
Gab es noch weitere Allströmer mit Gegentakt-Endstufe, speziell in Deutschland ?

Eine Gegentaktendstufe ist die einzige sinnvolle Möglichkeit, auch beim Allströmer trotz der begrenzten Anodenspannung bei kleinem Klirr höhere Ausgangsleistungen zu erzielen, insbesondere an 110V-Netzen.
Gleichzeitig ist die ‚klassische' Gegentaktendstufe (also nicht die eisenlose !) sehr unempfindlich gegenüber Brumm auf der Betriebsspannung, ein großer Vorteil speziell bei Allstromgeräten wegen der dort üblichen Einweggleichrichtung.
Allerdings ist bei diesem Gerät das Netzteil derart großzügig dimensioniert, dass die Betriebsspannung ähnlich brummarm ist, wie bei einer Vollweggleichrichtung im durchschnittlichen Wechselstromgerät mit normal dimensionierten Siebmitteln. Eine beachtlich große Siebdrossel findet hier Verwendung, die trotz niedrigen ohmschen Widerstandes durch größeren Drahtquerschnitt (die große Wicklung bietet genug Platz) dennoch eine große Induktivität aufweist. Zusätzlich sind die Betriebsspannungen für Vor- und Treiberstufe noch sehr großzügig mit jeweils 1µF von der übrigen Betriebsspannung entkoppelt.

Die CL4 ist bei Gegentakt-Betrieb üblicherweise angegeben mit 200V Ua und Ug2, -10.5V Ug1, dann ergibt sich ein Anodenruhestrom von 2*33mA (2*40mA bei Vollaussteuerung) und 8W Ausgangsleistung bei bemerkenswert niedrigem Kf von 2.5% ohne Anwendung einer Gegenkopplung. Der Kathodenwiderstand soll dann 135 Ohm (für beide Röhren zusammen) aufweisen, heißt 2*270 Ohm bei der hochwertigeren Schaltung mit getrennten Kathodenwiderständen und -Kondensatoren. Dieses Gerät besitzt getrennte Kathodenkombinationen in der Endstufe.
In diesem Gerät allerdings wird noch etwas mehr aus der Endstufe herausgeholt :
Die Betriebsspannung liegt bei fast 230VDC bei 230V Netzspannung oder eben fast 220VDC bei 220V Netzspannung; der Kathoden-Ruhestrom liegt bei 2*37mA und die Kathodenwiderstände betragen 2*300Ohm. Damit ergibt sich eine Gittervorspannung von -11.1V und eine Anodenverlustleistung von nur 2*7.7W(220V) bzw. 2*8.1W(230V).
Grenzdaten der CL4 wären Pa=9W ; Ua / Ug2=260V und Ik = 70mA, der Betrieb erfolgt also weit davon entfernt und dennoch mit einer Ausgangsleistung von oberhalb 8W durch die höhere Betriebsspannung.

Im NF-Teil finden sich drei Gegenkopplungszweige : Einerseits findet innerhalb der Endstufe selbst eine Gegenkopplung statt, und zwar vom Ausgangstrafo symmetrisch zurück auf die Gitter der beiden Endröhren, außerdem noch eine Über-alles-Gegenkopplung (mittels separater Gegenkopplungswicklung sekundärseitig) zurück zur NF-Vorstufe.
Aufgrund der starken Gesamt-Gegenkopplung erscheint die Verwendung einer separaten NF-Vorstufe vor der Treiber-/Phasenumkehrstufe (beides Penthoden !) nachvollziehbar, um dennoch genügend Verstärkung zu erzielen. Die Verwendung einer EF12k, also einer besonders mikrophoniearmen Type für hochwertige Verstärker spricht ebenfalls für sich.

Die großzügigen Kathoden-Elkos in den Vorstufen von 2*25µF sowie die damals unglaublichen 2*100µF in der Endstufe habe ich bereits im ersten Post dieses Threads erwähnt. Die Koppel-Kondensatoren sind mit 0.1µF rund zehnmal so groß, wie damals üblich.

Die Kombination aus den außergewöhnlich großzügig dimensionierten Kathoden-Elkos, dem enorm großen Ausgangstrafo, dem aufwändigen Netzteil, der aufwändigen Mehrfach-Gegenkopplung und der hohen Ausgangsleistung zusammen mit diversen weiteren kleineren Optimierungen zeigt, dass hier tatsächlich eher ein HiFi-Verstärker gebaut wurde, als ein Radio.
Bei dem Aufwand wäre noch ein separater Hochton-Lautsprecher angemessen - der aber findet sich nicht im Gerät. Allerdings kann es gut sein, dass ein solcher doch vorhanden war : außerhalb des Gerätes plaziert, angeschlossen über die Außenlautsprecher-Buchse, welche den eingebauten LS nicht abschaltet.
Das böte den Vorteil, den kleinen Hochton-LS jeweils passend zum Hörer ausrichten zu können, denn die damals üblichen Konus-Hochton-LS weisen eine recht gebündelte Abstrahlung auf. Das ganze Radio hingegen möchte natürlich niemand jeweils passend zum Hörer verdrehen müssen.
Das alles sind allerdings Gedanken, die in Deutschland zu jener Zeit noch kaum eine Rolle gespielt haben - jedenfalls nicht in Bastler-Kreisen.
In den USA war ‚HiFi' durchaus bereits ein Thema; in Europa aber hatte man kriegsbedingt rund 10 Jahre Nachholbedarf und griff die Entwicklungen in diese Richtung erst langsam wieder auf.

Insofern ist dieses Gerät in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich und interessant, wenngleich von außen zunächst eher unscheinbar.

Zur ungewöhnlichen Konzeption des Gerätes noch ein Gedanke :
Es wäre möglich, dass bewusst nur ein Sechskreis-Empfänger vorgesehen wurde, um durch dessen kleinere Trennschärfe gegenüber ‚höherkreisigen' Empfangsteilen, möglicherweise noch in Kombination mit einem etwas 'breiteren' Abgleich, möglichst das gesamte gesendete NF-Band zu übertragen. Bei bewusst gegeneinander versetzten ZF-Kreisen wäre allerdings mehr ZF-Verstärkung wünschenswert, als mit nur der einen EBF11 zu erreichen ist. Wenn andererseits kein Fernempfang geplant war, reicht aber auch die eine EBF11 trotz möglicherweise versetzter Kreise.
Aber das ist nur Spekulation ! Wieweit gegebenfalls bewusst versetzt abgeglichen wurde, lässt sich heute nicht mehr feststellen, da der Abgleich wahrscheinlich nicht mehr genau so ist, wie damals eingestellt.
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Ein Bericht über die elektrische Instandsetzung folgt in einem weiteren Beitrag.
 
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