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Aw: LeCroy 9450 [Beitrag #9085 ist eine Antwort auf Beitrag #9077] Fr., 15 Januar 2016 17:27 Zum vorherigen Beitrag gehenZum vorherigen Beitrag gehen
Getter
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Features und Performance derartiger Geräte von LeCroy, Tektronix, HP dürften damals wirklich revolutionär gewesen sein - die kompromisslose Digitalisierung der Messtechnik eröffnete bis dahin nicht dagewesene Möglichkeiten.

Kompromisslos war man dann auch beim Aufwand - wie Dirk schon schrieb, es wurden speziell für ganz bestimmte Zwecke hoch spezialisierte Halbleiter gefertigt, teilweise als Mikro-Baugruppe in Dickschichttechnik, dazu fanden viele frühe vorprogrammierte Logik-Bausteine Verwendung.

Ein kleiner Überspannungsstoß oder eine statische Entladung oder einfach nur ein über die Jahre 'gekipptes' Bit können reichen, um das Gerät zum reinen Dekorationsobjekt zu degradieren.

Genau deshalb finden sich derartige Geräte aus den 80er und 90er Jahren mittlerweile in erheblichen Mengen im Elektroschrott - fast allesamt unrettbar, auch dann, falls mal jemand viel Aufwand treiben wollte - selbst, wenn man eine eigene Chip-Fabrik hätte, man käme nicht weiter, da man auch noch genau wissen müsste, was nachzufertigen wäre und ggf. welche Bitmuster/welche logischen Strukturen gespeichert waren -- keine Chance !
Denn das wissen auch die Hersteller selber gar nicht mehr.
Bereits damals wurden in der Regel keine Schaltbilder zu den Geräten mehr herausgegeben - sie hätten aufgrund der Spezialbausteine in vielen Fällen dem Nutzer gar nicht mehr helfen können. Bereits damals war eine Reparatur den autorisierten Spezialwerkstätten des Herstellers vorbehalten, welche dann oft auch nur durch Tausch ganzer Leiterplatten die Fehler beheben konnten.

Mit dem gleichen Problem kämpfen auch schon diejenigen, welche Automobile der Oberklasse jener Zeit instandsetzen/restaurieren wollen - zu jener Zeit wurden dort bereits digitalisierte Engine Control Units und diverse weitere Baugruppen eingebaut, die teilweise einfach nicht mehr zu beschaffen sind, ohne die das Fahrzeug jedoch nicht fahrbereit ist. Das Ergebnis ist dann ein Stand-Modell.

Einen solchen LeCroy habe ich auch schon mal aus dem E-Schrott vor mir gehabt, schon länger her, vielleicht ein anderes Modell, aber diese Generation - auch dort die Eingänge defekt - spezielle kleine Baugruppen - unbeschaffbar, mit vertretbarem Aufwand unreparierbar** : Ab damit, nur noch 'rein wertstofflich' zu betrachten.

Erschwerend kommt nun noch hinzu, dass man mittlerweile für wenig Geld kleine Geräte in der Größe einer Zigarettenschachtel bekommt, welche über den USB-Port an einen PC / Laptop angeschlossen werden und die dann nochmal einen gewaltigen Sprung in Sachen Performance bieten - da hat man dann Oszilloskop, Spectrum-Analyzer, Datenanalysator, Funktionsgenerator und noch mehr in einem winzigen Gerät, kombiniert mit der Rechenleistung eines heutigen PC / Laptop, die Messergebnisse, ja ganze Messreihen mit zigtausenden Messungen lassen sich nahezu beliebig automatisch auswerten, archivieren, beliebig darstellen, in andere Programme / Dokumente einbringen, weltweit verschicken, teilen... halt alles, was man heute so mit Daten machen kann. Klein, leicht, billig, gut transportabel, kein Lüfter, dafür lieber ein USB-Port - das alles für so wenig Geld, dass die Beschäftigung mit vielen Geräten der alten Messtechnik wirklich nur noch mit Liebhaberei zu begründen ist - oder auch mit dem Wissenszuwachs, den man dabei erfährt, denn die Gesetze der Elektrotechnik, der Nachrichtentechnik, etc. gelten unverändert in den alten Geräten ebenso wie in den neueren, aber nur in den älteren kommt man noch so dicht heran, dass man die Geräte in ihren Details wirklich verstehen kann.
Bei dem hier vorgestellten LeCroy geht es bereits in die Richtung, die heutigen 'Zigarettenschachteln' sind endgültig reine Gebrauchs- und Wegwerfartikel trotz ihrer unglaublichen Performance. Was darin genau geschieht, das weiß keiner, es bekommt auch niemand heraus, der es wissen will - es will aber auch gar keiner wissen, das sieht man schon an den auf wenige Seiten zusammengeschrumpften 'Handbüchern' zu den Geräten.

Da sieht man mit so einem -damals bestimmt respekteinflößenden- ehemaligen 'Beyond-the limits-Explorer' heutzutage ur_ur_uralt aus... und das ist es auch !

Andererseits gibt es immer noch einige Anwendungen, wo bestimmte historische Messgeräte auch heute noch nur schwer zu ersetzen sind - das allerdings sind dann gerade Geräte der 50er/60er Jahre, aus der Röhrenära, beispielsweise wegen der Unempfindlichkeit ihrer Eingänge, allgemein wegen ihrer EMP-Festigkeit oder ihrer Widerstandsfähigkeit gegen bestimmte Strahlung. Sonderanwendungen, kleine Nischen, die man suchen muss, vereinzelt gibt es sie aber.

Ich habe einen einfachen Grundsatz :
Messtechnik, die mich mit einem dicken Lüfter nervt, obwohl sie halbleiterbestückt ist, die meide ich - wenn ich mir einen lauten Lüfter anhören muss, dann möchte ich wenigstens als Entschädigung mindestens 30 Röhren glühen sehen !

Grüße aus HH !

P.S. ** Martin wird wahrscheinlich irgendwann, früher oder später, uns hier das Gegenteil beweisen Wink
 
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