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Aw: Restauration - Reparatur - verbastelt ? [Beitrag #1961 ist eine Antwort auf Beitrag #1635] Mo., 04 Februar 2013 19:37 Zum vorherigen Beitrag gehenZum vorherigen Beitrag gehen
Michael von Daake ist gerade offline  Michael von Daake
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Ort: 32429 Minden/Westfalen
RVM-AP schrieb am Fr, 11 Januar 2013 21:13


Und genau hier wird eine schmerzliche Entscheidung fällig - heute gebräuchliche Teile als Ersatz für die defekten Originalteile verwenden? Die Originalität geht verloren - aber die Funktion ist wieder hergestellt?
Warum?
Warum muß denn das alte Gerät wieder funktionieren? Nur wegen des Erfolgserlebnisses? Denn, ehrlich, zum Radio hören gibt es doch heute mehr als genug Möglichkeiten, dafür brauchen wir den Oldtimer sicher nicht.

Mit einer solchen Maßnahme verliert das Gerät seinen Originalzustand und damit seinen historischen Wert.



Hallo Andreas

Mit diesen Gedanken habe ich mich auch einige Zeit herumgeplagt, bin aber zu einem ganz anderen Schluss gekommen.

Allzulange sammle ich noch nicht, deshalb besitze ich auch nur wenige Geräte. An den Älteren Geräten habe ich aus Respekt vor der Materie auch noch nichts gemacht, außer einer groben Reinigung mit Pinsel und Staubsauger. Erstmal will ich ein paar Erfahrungen sammeln mit "modernen" Geräten aus den 50er Jahren, die es noch zuhauf gibt.

Ein Gerät im Originalzustand ist für mich eines, daß zum einen optisch dem Urzustand entspricht, zum anderen aber auch seine volle Funktionalität besitzt.

Bei einem Radio heißt das für mich, daß das äußere Erscheinungsbild angemessen sein muß. Ein altes Radio darf ruhig eine gewisse "Patina" aufweisen, die die Spuren der Jahre dokumentiert. Falls doch restauriert werden muß, weil die Schäden zu groß sind, dann so, daß es nicht schöner als neu wird. Also bei einer Neulackierung sollte der Originallack verwendet werden und nicht eine hochglänzende Schellackpolitur aufgebracht werden. Der Lautsprecherbespannstoff darf gewaschen werden, aber nicht durch einen anderen ersetzt werden. Das Metallchassis darf gereinigt werden, aber nicht durch eine silberfarbene Lackierung aufgehübscht werden, usw.

Und selbstverständlich gehört die Funktion auch zum Originalzustand, ein Radio ist etwas dem man zuhört, nicht etwas was man sich unbedingt für längere Zeit ansieht. Ein Radio das nur noch defekt herumsteht, ist doch sehr reizlos.
Das Radio lebt doch davon, daß man es einschalten kann, das Aufleuchten der Röhren beobachten kann, den Geruch von verbrennendem Staub in der Nase die langsam lauter werdenden Geräusche wahrnehmend. Dann das Drehen am Abstimmknopf bis ein Sender empfangen wird und Musik und Sprache laut und deutlich aus dem Lautsprecher schallen.

Auch das gehört zur Originalität, das Radio muß sich so gut anhören wie damals im Geschäft, dazu reicht es einfach nicht, nur die Sicherheitsrelevanten Teile wie Koppelkondensatoren und den Ladeelko zu wechseln. Erst wenn alle klangrelevanten Bauteile wieder ihren Sollwert haben, hört man das Radio so, wie es damals vom Entwickler gedacht war.

Gerade habe ich das an einem Telefunken Concertino 53 Schritt für Schritt durchgespielt und nach jedem Austausch eines Bauteils wieder eine Hörprobe gemacht. Am Ende hatte ich insgesamt 13 Kondensatoren ausgetauscht und das Radio war klanglich kaum noch wiederzuerkennen. Technisch defekt waren nur der Ladeelko und der Koppelkondensator vor der EL84, aber auch alle anderen alten Papierkondensatoren haben mehr oder weniger zum vorher dumpfem und näselndem Klang beigetragen.

Natürlich ist das Gerät nicht im täglichen Einsatz, dazu ist mir die kostbare EM35 dann doch zu schade, aber wenn ich es jetzt jemandem vorführe, dann gibt es immer große Augen ob der Klangqualität, die solch ein altes Schätzchen bietet. Die Reaktionen auf ein Radio, das dunkel, kalt und stumm bleibt, kann sich wohl jeder selbst ausmalen.

Daher ist das Dilemma eigentlich keines, die Originalität geht durch den Austausch defekter Bauteile eben nicht verloren, sondern wird ganz im Gegenteil erst wieder hergestellt!
Der Historie tut man genüge, indem man alle ausgebauten Teile fein säuberlich in Kunststoffbeuteln mit dem Gerät aufbewahrt, sodaß auch der frühere, defekte Zustand jederzeit wieder hergestellt werden kann. Die alten Teile mechanisch zu zerstören und mit neuen Bauteilen zu befüllen, um eine Tarnung zu erreichen, halte ich für völlig falsch. Von da aus gibt es kein zurück mehr und es ist damit ein grober Verstoß gegen alle Regeln des Restaurierens, die da sagen; alles was für Erhalt und Konservierung getan wird, muß reversibel sein.


Mit diesem Ansatz will ich mich auch meinen wirklich alten Geräten aus den 30er Jahren nähern. Es ist völlig uninteressant, wenn die da kaputt herumstehen, denn kaputt ist nicht Original!

Angesammelt haben sich hier ein Katzenkopf von 1931, ein Zenith 808 von 1935 und ein Tandberg Solvsuper von 1938, die alle ihre speziellen Probleme haben. Beim Katzenkopf ist das innere Bakelitchassis, der vorläufer der späteren Leiterplatte, an mehreren Stellen gebrochen. Das wird nicht ganz einfach werden, das wieder herzustellen. Die Papierkondensatoren im Sammelblock werden wohl auch alle defekt sein.

Beim Zenith und beim Tandberg ist es eher das Furnier, das mir Sorge bereitet. Die haben beide mal schlecht gestanden, wahrscheinlich irgendwo im Keller. Das Tandberg funktioniert sogar noch und das obwohl noch immer der erste Röhrensatz drin ist.

Das Argument, das mache eh' keinen Sinn, wenn bald alle AM-Sender verschwunden sein werden, lasse ich nicht gelten. Wenn nichts mehr zu empfangen ist, wird eben ein eigener kleiner Sender mit ein paar Metern Reichweite in Betrieb genommen. Sowas gibt es in feinster Qualität für kleines Geld, für meinen Rohde&Schwarz SMLR habe ich gerade mal 25,- Euro bezahlt.
Der Vorteil dabei ist, daß man die Radios sogar mit zeitgenössischem Programmaterial vorführen kann.

Ja, das sind meine Überlegungen bis heute dazu und natürlich weiß ich nicht, ob ich auf dem rechten Wege bin. Vieleicht habe ich ja auch etwas wesentliches übersehen.
Deshalb ist es gut, daß man hier solche Gedanken austauschen kann.

Gruß
Michael



"Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt's nicht." Konrad Adenauer
 
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